Brustkrebsdiagnostik mit künstlicher Intelligenz
Jedes Jahr erhalten in der Schweiz 6 000 Frauen die Diagnose Brustkrebs und 1 400 Patientinnen sterben daran. Je früher die Tumorerkrankung diagnostiziert und behandelt wird, desto höher sind die Lebenserwartung und die Lebensqualität der betroffenen Frauen. Neben der Mammografie, die als wichtigste bildgebende Methode zur Früherkennung von Brustkrebs gilt, können auch andere Verfahren wie Ultraschall und Magnetresonanztomografie wichtige Informationen liefern. Künstliche Intelligenz (KI), welche grosse Datenmengen schnell und zuverlässig verarbeiten kann, könnte dazu beitragen, diese Methoden zur Brustkrebsdiagnostik zu automatisieren und flächendeckend zu verbessern.
Eine Forschungsgruppe der radiologischen Abteilung des LUKS Sursee arbeitet an der Entwicklung geeigneter Algorithmen, die es ermöglichen, die frühe Erkennung von Brustkrebs durch Einsatz der künstlichen Intelligenz sicherzustellen. Dies bedeutet, dass mit der KI kleine Karzinome in sehr frühen Stadien, die mit einer sehr guten Prognose verbunden sind, sicher erkannt werden können. Die Diagnosestellung mittels KI unterstützt dabei die Ärztin oder den Arzt bei der Bewertung der Mammografie-Aufnahmen.
Gut- oder bösartige Veränderung?
«Wir trainieren die Software darin, nicht tastbare Veränderungen sehr früh auf Mammografie-Bildern zu erkennen und in gut- oder bösartig einzuteilen. Die Software unterstützt dabei den Radiologen, indem die Software wie ein zweiter Befunder die Aufnahmen zusätzlich zum Radiologen analysiert », sagt die Radiologin PD Dr. Simone Schrading vom LUKS Sursee. In einem nächsten Schritt soll getestet werden, wie zuverlässig KI zur selben Diagnose kommt wie ein auf Brustdiagnostik spezialisierter Radiologe. «Unsere bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend», sagt Dr. Schrading. Es zeigt sich, dass die KI im klinischen Alltag Brustbefunde in der Mammografie recht sicher findet. Die KI liefert bei einigen Patientinnen auch wichtige Zusatzinformationen, die den Ärzten die korrekte Bewertung der Mammografie- Aufnahmen deutlich erleichtert und noch präziser macht. Dies ist auch für das LUKS-Netzwerk sehr hilfreich, da zu erwarten ist, dass durch den Einsatz der KI der hohe Qualitätsanspruch im gesamten LUKS-Netzwerk sichergestellt werden kann.
«Unsere Hoffnung ist zudem, dass wir neben dem Erkennen von Brustkrebs in kleinen, günstigen Stadien, mit KI noch besser zwischen gutartigen und bösartigen Befunden unterscheiden können. Denn es ist eine häufige Situation bei der Bewertung von Mammografie-Aufnahmen, dass sich gutartige und bösartige Befunde ähnlich oder sogar identisch darstellen. Um eine ganz sichere Diagnose zu erhalten, werden den Patientinnen in der Regel weitere bildgebende Untersuchungen und oft auch eine Gewebeprobe (Biopsie) aus dem auffälligen Areal empfohlen. Diese Situation ist für die Patientinnen stets sehr belastend. KI kann uns helfen, durch eine noch sicherere Unterscheidung von gut- und bösartigen Befunden die Notwendigkeit weiterer Abklärungen zu reduzieren.»
Wir hoffen, dass wir mit dieser neuen Methode mehr Mammakarzinome in prognostisch günstigen Stadien entdecken können.
PD Dr. med. Simone Schrading, Leitende Ärztin, LUKS Sursee
Kann KI den zweiten Experten ersetzen?
In einem zweiten Schritt will die Studie prüfen, ob KI in der klinischen Routine das Vier-Augen-Prinzip in der Brustdiagnostik vereinfachen kann. Die Software könnte dereinst den zweiten Radiologen, der derzeit zur Bewertung einer Mammografie erforderlich ist, ersetzen und so zur Entlastung angesichts knapper personeller und infrastruktureller Ressourcen beitragen.
Das Forschungsprojekt möchte darüber hinaus weitere wichtige Fragen klären, etwa die, ob mithilfe von KI ein Risikoprofil für die Entwicklung von Brustkrebs für eine Frau erstellt werden kann. «Dies könnte dazu beitragen, die Diagnostik von Brustkrebs individuell auf die einzelne Frau abzustimmen, um zu viel, aber auch zu wenig Diagnostik zu vermeiden », sagt Simone Schrading weiter. Zudem wird untersucht, ob die Beurteilung durch KI dazu beitragen kann, die Bildqualität von Mammografie-Aufnahmen sowie die Qualität von Abläufen während der Mammografie zu optimieren. «Diese Qualitätssicherung und Verbesserung der Abläufe bei der Mammografie sind auch aus ökonomischen Gesichtspunkten interessant und könnten dazu beitragen, Kosten zu reduzieren», sagt Simone Schrading.
Neben der Anwendung von KI in der Mammografie-Befundung wird die Arbeitsgruppe in Zukunft die entwickelten Algorithmen auch zur Brustkrebsfrüherkennung im Ultraschall und in der MRI anwenden und analysieren. Zum Thema der Qualitätssicherung führt die Radiologie-Abteilung des LUKS Sursee derzeit auch eine Befragung von fast tausend Patientinnen durch. «Das Interesse daran ist gross», sagt Simone Schrading. Erste Auswertungen zeigten «interessante und zum Teil unerwartete Ergebnisse, die unsere zukünftige Betreuung von Frauen in der Brustdiagnostik positiv beeinflussen werden. So konnten wir z.B. herausfinden, welche Faktoren erfüllt sein müssen, dass die Frauen weniger Schmerzen bei der Mammografie verspüren und diese als weniger belastend empfinden. Auch die Atmosphäre in den Räumlichkeiten beeinflusst nach unserer Analyse die Zufriedenheit der Frauen. Hingegen ist die Stärke, mit der die Brust bei der Mammografie zusammengedrückt wird, kaum von Relevanz. Diese Informationen helfen uns, die Ausbildung und Schulung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch effektiver auf die Patientinnenbedürfnisse abzustimmen.»