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Neonatologie: Semidemand-Feeding für früheren Spitalaustritt

Strategische Stossrichtung Qualität: Frühgeborene auf der Neonatologie werden anhand des sogenannten Semidemand-Konzepts ernährt: Dabei stehen die Bedürfnisse des Kindes im Mittelpunkt. Mit dem Effekt, dass sie früher aus dem Spital entlassen werden können.
11. Juni 2024
Lesezeit: 3 Minuten
Semidemand-Feeding: Zur üblichen Zeit der Nahrungsaufnahme wird gewartet und beobachtet, ob das Kind von sich aus Hungerzeichen und Trinkbereitschaft kommuniziert.

Gleichzeitig Trinken und Atmen – das ist für Frühgeborene eine sehr komplexe Koordinationsaufgabe, die sie, wie so vieles andere, erst erlernen müssen. Anfangs werden die Kinder deshalb üblicherweise acht Mal pro Tag über eine Magensonde ernährt. Im korrigierten Alter von 33 bis 34 Schwangerschaftswochen ist bei vielen Frühgeborenen das Gehirn so weit gereift, dass sie langsam und behutsam an das selbständige Trinken herangeführt werden können. Die ersten Trinkversuche erfolgen bei Stillwunsch der Mutter an der Brust oder sonst mit der Trinkflasche.

Gängiger Standard in der Schweiz war bisher, die frühgeborenen Kinder zuerst alle 3 Stunden zu ernähren, dann alle 4 Stunden und schliesslich «auf Wunsch», so dass sie lernen, Hunger zu kommunizieren. Können sie so gut selbständig trinken, dass sie an Gewicht zunehmen, werden sie nach Hause entlassen – sofern auch alle anderen gesundheitlichen Voraussetzungen gegeben sind. 

Die Frühgeborenen können messbar früher nach Hause

Dr. med. Matteo Fontana, Leitender Arzt Neonatologie und Kinderintensivmedizin

Dr. med. Matteo Fontana, Leitender Arzt Neonatologie und Kinderintensivmedizin, hat das Semidemand-Konzept gemeinsam mit der Pflege entwickelt.

«Durch die Verlängerung der Dauer zwischen den Mahlzeiten bis zur Wunschkost sind die Kinder gefordert», sagt Dr. med. Matteo Fontana, Leitender Arzt Neonatologie und Kinderintensivmedizin. «Sie müssen sich anstrengen und mehr leisten, mit dem Risiko, dass sie weniger gut an Gewicht zunehmen oder dass sie länger im Spital bleiben müssen. Mit dem Konzept des Semidemand-Feedings passen wir die Ernährungszufuhr auf die Bereitschaft der Frühgeborenen an.»

«Semi» steht für teilweise, «Demand» für Bedürfnis. Die Kinder werden am KidZ weiterhin alle 3 Stunden ernährt, die Verlängerung der Zeit zwischen den Mahlzeiten entfällt. Aber: «Zur üblichen Zeit der Nahrungsaufnahme warten wir und beobachten, ob das Kind von sich aus Hungerzeichen und Trinkbereitschaft kommuniziert», erklärt Alexandra Julen, Pflegefachfrau auf der Neonatologie. Zum Beispiel, indem es die Augen öffnet, schmatzt oder die Finger an den Mund führt. Auch die Eltern werden angeleitet, solche Hungerzeichen bei ihrem Kind zu erkennen. Zeigt das Kind innerhalb von 30 Minuten Hungerzeichen, wird es von der Mutter gestillt oder erhält die Schoppenflasche. Wenn das Kind nicht trinken möchte, wird die Mahlzeit via Magensonde verabreicht.  

Wir achten stärker auf die Körpersprache der Kinder und gehen auf ihre Bedürfnisse ein. Dadurch geben wir den Kindern mehr Zeit, selbständig trinken zu lernen – und erzielen schneller Erfolg.

Alexandra Julen, Pflegefachfrau Neonatologie

Für die Pflege ist das Konzept anspruchsvoll und mit höherem Aufwand verbunden: «Wir müssen frühzeitig erkennen, dass das Kind Hungerzeichen kommuniziert. Dann ist die Trinkbereitschaft am höchsten», betont Alexandra Julen. Verpasst man den Zeitpunkt und beginnt das Kind wegen Hunger zu weinen, klappt das Trinken bei Frühgeborenen häufig nicht mehr. «In der Gebärmutter waren die Kinder in einer ruhigen Umgebung, in der Licht und Geräusche gedämpft war. Auf der Neonatologie sind sie Reizen ausgesetzt, für die sie eigentlich noch nicht reif sind. Kommen dann noch Hunger und Weinen dazu, sind sie überfordert und können nicht mehr trinken.»

Das Semidemand-Feeding wurde auf der Neonatologie des KidZ im Mai 2023 eingeführt. «Wir erzielen damit eine höhere Behandlungs- und Pflegequalität: Die Kinder erhalten häufiger Mahlzeiten und lernen gleichzeitig, ihr Hungergefühl zu kommunizieren», erklärt Dr. med. Matteo Fontana. «Dadurch nehmen sie besser an Gewicht zu, haben mehr Energie, und wir können sie messbar früher zu ihren Familien nach Hause entlassen.»

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