Über Nacht eine steife, schmerzende Schulter – was nun?
Dr. med. Roland Camenzind, Leiter Schulter- und Ellenbogenchirurgie am LUKS
Das plötzliche Auftreten eines sehr starken Schulterschmerzes, begleitet von einer Einschränkung der Schultergelenks-Beweglichkeit, ist in den häufigsten Fällen auf eine sogenannte Frozen Shoulder (Schultersteife) zurückzuführen. Ich kann Sie insofern beruhigen, dass es sich dabei grundsätzlich um eine ungefährliche Situation für die Schulter handelt. Aufgrund der starken Entzündung, die dem Krankheitsbild zugrunde liegt, ist die Frozen Shoulder jedoch in den meisten Fällen äusserst schmerzhaft.
Ich empfehle Ihnen, die Schulter einer Fachperson zu zeigen. Dies dient auch dazu, eine andere Ursache der Schmerzen wie etwa einen eingeklemmten Nerv am Hals, eine Kalkschulter oder einen Sehnenriss ausschliessen zu können. Ausserdem kann durch den betreuenden Arzt oder die betreuende Ärztin eine Therapie eingeleitet werden, um die Symptomatik zu lindern.
Frauen sind deutlich häufiger betroffen
Die Frozen Shoulder gehört zu den häufigsten Erkrankungen am Schultergelenk und tritt in der Schweizer Bevölkerung bei 2,4 von 1000 Personen pro Jahr auf. Frauen sind dabei mit 70 Prozent deutlich häufiger betroffen als Männer. Das typische Alter liegt zwischen 40 und 60 Jahren. Die genaue Ursache ist dabei unbekannt, sodass man medizinisch von einer idiopathischen Frozen Shoulder spricht.
Die Diagnose lässt sich durch die Anamnese und die Untersuchung der Schulter in der Regel einfach stellen. Ein Röntgenbild hilft, andere Ursachen wie Kalkschulter oder Arthrose auszuschliessen. Ein MRI ist in den meisten Fällen nicht nötig.
In der Untersuchung fällt auf, dass sich die Schultergelenksbeweglichkeit sowohl durch die aktive Bewegung als auch durch das Bewegen durch die untersuchende Fachperson nicht erweitern lässt und ein deutlicher Unterschied zur gesunden Gegenseite besteht.
Die Steife löst sich mit der Zeit wieder von selbst
Die Frozen Shoulder ist eine grundsätzlich ungefährliche Situation für die Schulter und löst sich auch mit der Zeit wieder von selbst auf. Da die Symptome (Schmerzen und die Beweglichkeits-Einschränkung) durchschnittlich bis eineinhalb Jahre andauern können, sind die Betroffenen um eine therapeutische Unterstützung sehr froh. In der ersten, schmerzhaft entzündlichen Phase kann medikamentös mit einem Entzündungshemmer und Vitamin C eine Linderung erreicht werden. Zusätzlich kann bei sehr starken Schmerzen auch eine Kortisonspritze ins Gelenk zuverlässig eine Schmerzreduktion bringen.
Operation ist nur sehr selten nötig
Physiotherapie ist erst nach Abklingen der Schmerzsymptomatik sinnvoll, um den Schmerz- und Entzündungsreiz nicht weiter zu provozieren. Die physiotherapeutischen Massnahmen beinhalten sanft mobilisierende Übungen und sollten immer im schmerzfreien Bereich durchgeführt werden. Besonders effektiv zeigt sich eine Wassertherapie.
Eine Operation ist nur in sehr seltenen Fällen eine Option, falls sich die Beweglichkeit nach den eineinhalb Jahren nicht verbessert.