Präeklampsie
Diese Seite beinhaltet auch: Schwangerschaftsvergiftung, Hypertensive Schwangerschaftserkrankung, Schwangerschaftshypertonie / Gestationshypertonie, Eklampsie, HELLP-Syndrom, (EPH-)Gestose
Überblick
Die Präeklampsie, umgangssprachlich oft auch als «Schwangerschaftsvergiftung» bezeichnet, gehört zum Formenkreis der so genannten «hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen», also Bluthochdruckerkrankungen bei Schwangeren, und ist ein vielschichtiges, schweres Krankheitsbild. Präeklampsie tritt in der Schweiz bei bis zu 2% der Frauen (weltweit bei 2-8% der Frauen) während der Schwangerschaft oder im Wochenbett auf. Sie kann zu ernsten Komplikationen bei der Mutter und ihrem ungeborenen Kind führen und erfordert damit je nach Ausprägung mindestens eine engmaschige Überwachung bis hin zur umgehenden Behandlung mit Entbindung des Kindes.
Häufige Fragen
Ursachen
Die Ursachen für die Entwicklung einer Präeklampsie sind auch heute noch nicht vollständig geklärt. Grundsätzlich tritt eine Präeklampsie nur bei Schwangerschaft auf, und die Anwesenheit der Plazenta (Mutterkuchen) scheint massgeblich zu sein.
Nach neueren Erkenntnissen entstehen die klinischen Symptome durch ein komplexes Zusammenspiel von Stoffen, die von der Plazenta und dem mütterlichen Gefässsystem freigesetzt werden, und der Anfälligkeit der Schwangeren gegenüber diesen Stoffen. Diese Kombination entscheidet sozusagen darüber, ob die Schwangere eine Präeklampsie entwickeln wird oder nicht, und wenn ja, wie schwer die Symptome sein werden sowie wann diese auftreten werden.
Bei der deutlich selteneren frühen Form der Präeklampsie mit Geburt vor 34 Schwangerschaftswochen scheint zusätzlich die Entwicklung der Plazenta und Anpassung der Durchblutung in der Gebärmutter gestört zu sein. Daher ist fast immer auch das Wachstum des ungeborenen Kindes beeinträchtigt.
Bei der späten Form der Präeklampsie scheint dagegen das Herz-Kreislauf-System der Mutter nicht ausreichend belastbar zu sein: Es besteht den «Stresstest Schwangerschaft» nicht. Das Wachstum des ungeborenen Kindes ist nicht betroffen.
Symptome
- Zentrales Nervensystem/Sinnesorgane:
- Kopfschmerzen
- Sehstörungen
- Hörstörungen
- Hyperreflexie (verbreiterte und/oder gesteigerte Reflexe), Kloni, Tics
- Generalisierter Krampfanfall
- Hirnblutung, Schlaganfall (sehr selten)
- Herz und Kreislauf:
- Hypertonie (Bluthochdruck)
- Ausgeprägte Ödeme (Wassereinlagerungen)
- Kardiomyopathie (schwere Herzfunktionsstörung, sehr selten)
- Leber:
- (Rechtsseitige) Oberbauchschmerzen
- Erhöhung der Leberwerte
- Lunge:
- Atemnot
- Pleuraerguss, Lungenödem (Wasseransammlung in der Lunge, sehr selten)
- Niere:
- Proteinurie (vermehrte Eiweissausscheidung im Urin)
- Erhöhung der Nierenwerte
- Oligourie/Anurie (verminderte bis fehlende Urinproduktion)
- Magen und Darm:
- Übelkeit
- Erbrechen
- Durchfall
- Blut:
- Thrombozytopenie (Abfall der Blutplättchen)
- Hämolyse (Auflösung der roten Blutkörperchen)
- Plazenta/Kind:
- Vermindertes Wachstum vom Kind
Diagnose
Die meisten Fälle der Präeklampsie treten in der späten Schwangerschaft nach 34 Schwangerschaftswochen auf (85-95% der Fälle). Ein früheres Auftreten ist deutlich seltener (5-15% der Fälle). Zudem kann die Präeklampsie auch erst im Wochenbett auftreten, dann meist innerhalb von 48 Stunden nach Geburt, in seltenen Fällen aber auch bis zu 6 Wochen danach.
Zur Diagnosestellung wird folgende Diagnostik durchgeführt:
- Blutdruckmessung
- Untersuchung des Urins auf Eiweiss
- Blutentnahme mit insbesondere Bestimmung der roten Blutkörperchen, der Blutplättchen, der Nieren- und Leberwerte und bestimmter, sogenannter angiogener Faktoren, mit denen das Risiko für das Auftreten einer Präeklampsie in der nächsten Zeit abgeschätzt werden kann
- Abfragen typischer klinischer Symptome
- Ultraschalluntersuchung mit Gewichtsschätzung des Kindes
- Überprüfen der Reflexe
Verlauf
Ähnlich wie die Symptome und Befunde bei einer Präeklampsie sehr stark variieren können, kann sich auch der Verlauf sehr unterschiedlich gestalten. Einige Schwangere zeigen nur leichte Symptome und Befunde, welche sich auch über eine längere Zeit stabil halten können. Bei anderen wiederum kommt es zu einem fulminanten Verlauf mit schweren Symptomen und rascher Verschlechterung. Eine frühzeitige Diagnose und engmaschige Überwachung sind in jedem Fall entscheidend, um rechtzeitig eine Behandlung einzuleiten und so eine schwerwiegende Komplikation wie beispielweise einen Krampfanfall zu verhindern.
Eine besonders schwere Form bzw. Komplikation stellt die Eklampsie dar, bei welcher tonisch-klonische Krampfanfälle auftreten. Das Risiko hierfür kann durch die Verabreichung einer Magnesiuminfusion gesenkt werden.
Die Überwachung und Therapie erfolgt bei leichten bis mittelschweren Symptomen auf der Normalstation. Bei schweren Symptomen erfolgt die kontinuierliche Überwachung und Therapie auf der Intensivstation. Die Überwachung von Mutter und von dem ungeborenem Kind sowie die Behandlung auf der Intensivstation ist multidisziplinär und interprofessionell. Die Therapie und Behandlung werden individuell und auf die Situation angepasst.
Behandlung
Da die Präeklampsie durch die Schwangerschaft bedingt ist, ist die einzige «heilende» Behandlung die Entbindung des Kindes und damit Entfernung der Plazenta.
Je nach Schweregrad und vor allem auch Schwangerschaftsalter, bei welchem die Präeklampsie auftritt, muss jedoch nicht immer sofort ein Kaiserschnitt durchgeführt oder die Geburt eingeleitet werden, sondern gerade vor 34 Schwangerschaftswochen müssen sehr sorgfältig die Risiken der Mutter bei Fortführen der Schwangerschaft gegenüber den Risiken des Kindes aufgrund der möglichen Frühgeburtlichkeit abgewogen werden. Wird die Schwangerschaft beendet, bilden sich die Symptome und Befunde mit leichter Verzögerung von selbst zurück. Häufig muss bei hohen Blutdruckwerten dieser zusätzlich mit Medikamenten gesenkt werden. Zudem wird bei schweren Formen der Präeklampsie eine Magnesiuminfusion verabreicht. Damit kann das Risiko für das Auftreten eines Krampfanfalls gesenkt werden.
Alle Frauen, die in der Schwangerschaft eine Präeklampsie entwickelt haben, und vor allem diejenigen, die aufgrund der Präeklampsie vor 34 Schwangerschaftswochen geboren haben, haben ein deutlich erhöhtes Lebenszeitrisiko für die Herzkreislauf- oder Stoffwechselerkrankungen. Daher ist eine langfristige Nachsorge mit einem gesunden Lebensstil sowie regelmässigen Kontrollen sehr wichtig, um allfällige Probleme frühzeitige zu erkennen.
Vorsorge
Mit 11 bis 14 Schwangerschaftswochen besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines so genannten Präeklampsie-Screenings das individuelle Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie in der aktuellen Schwangerschaft zu berechnen.
Im Falle eines erhöhten Risikos oder auch grundsätzlich bei bestimmten Vorerkrankungen der Schwangeren (z.B. Antiphospholipid-Syndrom) wird die Einnahme von Aspirin empfohlen. Damit kann das Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie, insbesondere der frühen Form, deutlich gesenkt werden.
Zudem sollten bei erhöhtem Risiko engmaschigere Schwangerschaftskontrollen inklusive regelmässiger Kontrollen des kindlichen Wachstums erfolgen.