Der angenähte Arm
«Diese Operation war kein Wunder, sie entspricht dem Stand der modernen Chirurgie», betonte Bruno Vogt Ende der 60er Jahre gegenüber der «Schweizer Illustrierten». Das war etwas tiefgestapelt, denn bis dahin hatte es in Europa einen Eingriff dieser Art – Vogt hatte einem Unfallopfer einen ganzen abgetrennten Arm wieder angenäht– noch nicht gegeben.
Schon in seinem ersten Dienstjahr als Chefarzt der Gefässchirurgie am Luzerner Kantonsspital sorgte der Chirurg und Gefässspezialist damit weltweit für Aufsehen. Vogts kühlem Kopf, seinen Vorleistungen und auch später prägenden Entwicklungen in der Mikrochirurgie hat der heute 76-jährige H. N. zu verdanken, dass er keine Armprothese tragen muss.
Die Pionierleistung der sogenannten Mikrochirurgie der peripheren Gefässe – also jener Gefässe, die sich in einer grösseren Distanz zum Herz befinden – prägte die Wiederherstellungschirurgie bis heute.
Der junge Nidwaldner Schlosser hatte, als er seine Lehrstelle antrat, wohl kaum geahnt, dass aus ihm eine kleine Berühmtheit werden sollte: Bei Arbeiten mit einer Fräsmaschine war er mit dem linken Arm in die Maschine geraten, die ihm die Gliedmasse abtrennte. Die erfolgreiche dreistündige Operation, in der Bruno Vogt den Arm am Kantonsspital wieder annähte, machte den Chirurgen europa- und weltweit und den Patienten jedenfalls in der Schweiz zur Berühmtheit.
Patient machte den Chirurgen zum Götti seines Sohnes
Dabei war die freie Transplantation grösserer Gewebeeinheiten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein undurchführbar. Erst dank der Weiterentwicklung chirurgischer Instrumente wie dem Operationsmikroskop und der Herstellung feinster Nahtmaterialien und Nadeln konnten auch Gefässe mit nur einem Millimeter Durchmesser wieder vereint werden. Diese Erfindungen machten den Weg frei für die Entwicklung einer Replantationstechnik. Heute ist die Replantation von abgetrennten Gliedmassen am Körper zwar noch lange keine Routine, aber doch so weit fortgeschritten, dass sogar schon Spender-Gliedmassen replantiert werden können.
An jenem Dezembertag im Jahr 1967 war der Erfolg von Vogts Bemühungen allerdings noch alles andere als gegeben. Es sollte auch noch Jahre dauern, bis H.N. die Funktionsfähigkeit seines Arms vollumfänglich wiedererlangen sollte. Aber seine Dankbarkeit gegenüber dem Arzt war verständlicherweise gross – er machte Vogt Jahre später zum Paten seines Sohnes.
Der Chefarzt indessen hatte sich mit seiner Meisterleistung über die Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht. 1971 wurde er in Zürich zum Titularprofessor ernannt. Als Ziehvater, Mentor und Ratgeber und als brillanten und charismatischen Chirurgen beschrieben ihn ehemalige Kollegen und Schüler im Nachruf 2019 in der «Schweizerischen Ärztezeitung». Vogt war, so meint der Autor Prof. Dr. med. Markus von Flüe , «einer der Grossen seiner Zeit».
Die Geschichte vom Luzerner Kantonsspital
Dieser Beitrag ist ein Teil der Serie "Die Geschichte des Luzerner Kantonsspitals - In 750 Jahren vom den Benediktinerkloster bis zur künstlichen Intelligenz."