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Kampf dem Alkoholexzess

Mit einer sozial-medizinischen Station sagt das Luzerner Kantonsspital in den 1950er Jahren dem Alkoholismus den Kampf an. Es ist medizinische Pionierarbeit.
1. Januar 2021
Lesezeit: 2 Minuten
intensivpflegebett

«Unter den Patienten finden wir alle Kreise: Rechtsanwälte, Pfarrer, Schauspieler, Geschäftsleute, Tierärzte, Politiker, Hoteliers, Bauhandlanger, Studenten und ehemalige Studenten, denen die Trinksitten ihrer <Burschenherrlichkeit> oft das ganze Leben verderben.» So beschreibt Ruth Steinegger im 30. Band des «Fachblatts für schweizerisches Anstaltswesen» 1959 die Klientel der neu geschaffenen Station des Luzerner Kantonsspitals. Was 60 Jahre später zum Allgemeinwissen gehört – dass Alkohol mit zunehmendem Konsum das Leben der Abhängigen bestimmt, und das in allen Gesellschaftsschichten –, setzte voraus, dass Alkoholkrankheit als solche anerkannt und thematisiert wurde. Das war eine neue Erscheinung der 50er Jahre, eng verbunden mit einer neuen Wahrnehmung sozialer Probleme und einer Verwissenschaftlichung des Alkoholwissens.

Auf den «Elends-» folgte der «Wohlstandsalkoholismus»

Als es in Luzern Anfang der 50er Jahre zur Errichtung einer sozial-medizinischen Station im Kantonsspital kam, war die Bekämpfung des Alkoholismus mit medikamentösen Behandlungen erst einige Jahre alt. Der «Elendsalkoholismus», der die Schweiz mit den beiden «Schnapswellen» während der Industrialisierung erfasst hatte, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von einem «Wohlstandsalkoholismus» abgelöst. Der Lebensstandard stieg, und Alkohol war als «Genussmittel» wieder gesellschaftsfähig. Gleichzeitig wurde Alkoholsucht weltweit als Krankheit anerkannt. Das Kantonsspital in Luzern reagierte mit der Gründung der neuen Station und der Suche nach «ganzheitlichen Behandlungsmethoden».

Zuvor hatten sich im Kantonsspital über die Jahre vor allem zwei Behandlungsmethoden durchgesetzt: Die sogenannte Antabus- und die Apomorphin-Kur. Diese Stoffe hemmen den metabolischen Abbau von Alkohol im Organismus des Patienten und führen zu einer künstlichen Intoleranz. Im Klartext: Wer während der Kur auch Alkohol trinkt, bezahlt die Zeche mit einer höllischen Übelkeit. Die Kur sollte also «demonstrieren, welche Unannehmlichkeiten den Patienten erwarten, falls er während der Antabuskur wieder Alkohol geniessen würde», beschreibt es das erwähnte Fachblatt. Die Methode wird übrigens auch heute noch angewandt.

Zu überraschen vermag indes die zeitgenössische Einschätzung des Alkoholismus in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Die Station wurde auch aus der «Einsicht» errichtet, «dass die Trunksucht eine Krankheit des ganzen Menschen und nicht einfach eine Folge sozialer oder seelischer Probleme ist […].» Bemühungen wie die, eine «Atmosphäre des Vertrauens» zu schaffen und die «positiven und gesunden Kräfte» wecken zu wollen, zeigen, dass Hilfe zur Selbsthilfe in Luzern schon früh zu den Behandlungsmaximen gehörte.
 

Die Geschichte vom Luzerner Kantonsspital

Dieser Beitrag ist ein Teil der Serie "Die Geschichte des Luzerner Kantonsspitals - In 750 Jahren vom den Benediktinerkloster bis zur künstlichen Intelligenz."

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