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Mit Pavillons gegen die Ansteckung

Seit der Corona-Pandemie gelten Abstand und gelüftete Räume wieder als Schutzvorkehrungen gegen Krankheit. Noch anfangs 20. Jahrhundert waren dies fast die einzigen Regeln. Das hatte Auswirkungen auf die Spital-Architektur – auch in Luzern.
1. April 2020
Lesezeit: 3 Minuten
Spitalpark mit Kutsche

Als der Wiener Geburtshelfer Ignaz Philipp Semmelweis 1847 erkannte, dass Krankheitserreger durch Ärzte mit ungewaschenen Händen auf Gebärende übertragen wurden, hielten viele seiner Kollegen die Entdeckung für ein Märchen. Die Ursachen für Infektionen waren noch unbekannt; die Übertragung von Krankheitserregern durch die Luft war die einzige Möglichkeit, die man sich vorstellen konnte.

Obwohl kurz darauf Robert Koch, Rudolf Virchow und andere die Erreger der damals wichtigsten Infektionskrankheiten nach- und ihre Bekämpfung durch Hygienemassnahmen bewiesen, wurden Krankheiten wie Wund- oder das damals grassierende Kindbett- oder Puerperalfieber nach gängiger Vorstellung über «schlechte Luft» von einem Patienten zum nächsten übertragen.

 «Selbst für gesunde Menschen höchst ungünstig»

Diese Vorstellung verhalf dem Pavillon-Stil im Krankenhausbau zu einem regelrechten Boom: Das Luzerner Bürgerspital etwa erschien im ausgehenden 19. Jahrhundert sogar dem Chefarzt selbst geradezu gesundheitsgefährdend: Die Lage mitten in der Stadt sei ungünstig, «eine grosse Zahl von Räumlichkeiten entbehren Licht und Luft in einem Mass, dass sie selbst für gesunde Menschen als höchst ungünstig bezeichnet werden müssten», soll Dr. Franz Schmid, Hauptinitiant des neuen Spitalbaus, 1893 den Stadtbehörden gesagt haben. Das Gutachten, in dem Schmid zitiert wird, empfiehlt folgerichtig: «Für das Spital ist das Pavillonsystem anzuwenden.»

Dieser Stil entsprach dem medizinischen Zeitgeist: Durch die Aufteilung der Kliniken in separate Gebäulichkeiten und genügend Möglichkeiten zur «Ventilation» sollte die Verschleppung von Keimen von einer Klinik zur nächsten unterbunden werden. Auch das Sonnenlicht spielte eine grosse Rolle: Um dessen antibakterielle Wirkung maximal zu nutzen, bekam der Bau von Sonnenterrassen, denen ausgeklügelte Berechnungen der Sonneneinstrahlung zugrunde lagen, eine grosse Bedeutung.

Den erheblichen Kosten zum Trotz entstand deswegen anfangs des 20. Jahrhunderts auch in Luzern wie in vielen anderen europäischen Städten ein «Krankenhaus im Park». Im Oktober/November 1902 konnte das Luzerner Kantonsspital bezogen werden.

Entstanden war ein gemischter Pavillon-Bau: Die Kombination bestand zunächst aus einem medizinischen und einem chirurgischen Pavillon, einem chirurgisch-septischen Pavillon, einem Infektionshaus, einer Kapelle, einem Verwaltungsgebäude, einem Leichenhaus, einem Holz- und Hühnerhaus sowie einem Portier- und Gärtnerhaus.

Die Konzeption der symmetrischen Anlage war so modern und wegweisend, dass sie an der Landesausstellung 1914 in Bern in Form von Fotografien und Plänen ausgestellt wurde.

Nur wenige Jahrzehnte nach der Eröffnung kamen Zweifel an der Zweckmässigkeit der Pavillons auf: Die Entfernung der einzelnen Bauten erschwerte den Transport der Patienten, die Organisation der Küche und den Verwaltungsverkehr. Wirtschaftlich gesehen bot die grosse Ausdehnung der Spitalbauten nur Nachteile. Das Pavillonsystem entpuppte sich als personalintensiv, die Instandhaltung als unpraktisch und der Ausbau als nahezu unmöglich.

Das Pavillonsystem entpuppte sich als ökonomisch unpraktisch

Darüber hinaus hatte die Bakteriologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts rasch an Bedeutung gewonnen. Nach Semmelweis legten Koch und der Franzose Louis Pasteur die Grundlagen der heutigen Mikrobiologie. Die Erreger und Übertragungswege der Tuberkulose, von Typhus und Cholera wurden nachgewiesen. Mit der Entdeckung des Penicillins 1929 durch Sir Alexander Flemming wandte sich das Blatt vollends. Statt «Luft und Sonnenlicht» wurden Desinfektion, Sterilisation und Antibiotika zum festen Bestandteil der ärztlichen Praxis.

Grosse Infektionsstationen schrumpften folglich auf wenige Krankenzimmer. 80 Jahre nachdem man in Luzern vom Bürgerspital in die kantonale Krankenanstalt gezogen war, erfolgte der Einzug ins neue Spitalzentrum: Dieser Bau aus den 60er Jahren hatte nichts mehr von der Pavillon-Philosophie. Im Vordergrund stand jetzt die interdisziplinäre Zusammenarbeit unter Kliniken und Spezialabteilungen.

Und auch wenn Abstand mit der Covid-19-Pandemie wieder ein Thema geworden ist: Pavillonbauten werden kaum die Antwort darauf sein.
 

Die Geschichte vom Luzerner Kantonsspital

Dieser Beitrag ist ein Teil der Serie "Die Geschichte des Luzerner Kantonsspitals - In 750 Jahren vom den Benediktinerkloster bis zur künstlichen Intelligenz."

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